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Der Weisse Ritter - Beschützer der Modelle?
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Das Phänomen der "weissen Ritter" unter Fotografen, insbesondere im Amateurbereich, ein interessantes und oft beobachtetes Verhalten. Der Begriff "weisser Ritter" beschreibt Männer – in diesem Fall Fotografen –, die sich in einer Art Beschützerrolle gegenüber ihren weiblichen Modellen sehen und diese vor vermeintlichen Gefahren durch andere Fotografen oder Männer schützen möchten. Diese Verhaltensweise kann verschiedene Ursachen haben, die sowohl psychologischer als auch sozialer Natur sind.

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Bedürfnis nach Anerkennung und Selbstwertgefühl:
Für viele Amateurfotografen spielt Anerkennung und der Wunsch, als wichtig oder besonders angesehen zu werden, eine grosse Rolle. Gerade im Hobbybereich, wo es oft weniger um professionelle Distanz und mehr um die persönliche Freude am Schaffen geht, kann das Bedürfnis entstehen, die eigene Rolle als Fotograf aufzuwerten. Durch das Einnehmen einer Beschützerrolle gegenüber den weiblichen Modellen erhalten solche Fotografen die Möglichkeit, sich als besonders engagiert und moralisch integer darzustellen. Dies kann das Selbstwertgefühl stärken und vermittelt das Gefühl, für die Frauen „unverzichtbar“ zu sein.

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Die Projektion von Idealen und Wunschvorstellungen:
Manche Fotografen projizieren unbewusst romantische oder idealisierte Vorstellungen auf ihre Modelle. Die Fotografie an sich hat oft eine intime Komponente, die durch das Arbeiten in privaten Räumen, in körperlicher Nähe und unter künstlerischen Bedingungen entstehen kann. Die Rolle des "weissen Ritters" kann eine Art Ventil für das Bedürfnis sein, dieser Frau besonders nahe zu sein oder ihr eine spezielle Bedeutung beizumessen, ohne dies direkt einzugestehen. Indem sie sich als Beschützer inszenieren, etablieren sie eine besondere Beziehungsebene, die über das rein berufliche oder künstlerische hinausgeht.

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Mangel an professioneller Distanz und Grenzen:
Im Amateurbereich fehlen oft die professionellen Normen und Regeln, die in der kommerziellen Fotografie üblich sind. Viele Amateurfotografen haben keine formale Ausbildung, die sie in Bezug auf professionelle Distanz oder den respektvollen Umgang mit Modellen schulen könnte. Dadurch kann es schwerfallen, zwischen künstlerischer Arbeit und persönlichen Beziehungen klare Grenzen zu setzen. Diese Unklarheit führt dazu, dass Fotografen sich emotional stärker involvieren und das Modell als Teil ihres sozialen Umfelds wahrnehmen. Der Wunsch, dieses soziale Umfeld zu „beschützen“, entsteht dann aus einer Art Überidentifikation und mangelnder Abgrenzung.

 

Kontrollbedürfnis und territoriales Verhalten:
Das Bedürfnis, das Modell zu schützen, ist oft auch Ausdruck eines Kontrollbedürfnisses. In einer stark wettbewerbsorientierten und manchmal oberflächlichen Welt wie der Fotografie möchten einige Fotografen sicherstellen, dass „ihre“ Modelle sich nicht zu anderen Fotografen hingezogen fühlen oder mit anderen arbeiten, da sie eine gewisse Exklusivität beanspruchen. Diese Art von territorialem Verhalten kann als Versuch gedeutet werden, die eigene Stellung zu sichern und die „Konkurrenz“ fernzuhalten, indem das Modell unter einem besonderen Schutzmantel gehalten wird.

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Mangelndes Vertrauen in die Autonomie der Modelle:
Interessanterweise offenbart dieses Verhalten oft einen Mangel an Vertrauen in die Autonomie und Entscheidungsfähigkeit der Modelle. Fotografen, die sich als „weisse Ritter“ sehen, gehen häufig (bewusst oder unbewusst) davon aus, dass die Frauen Schutz benötigen, weil sie sich allein nicht gegen unerwünschte Avancen oder andere Probleme behaupten könnten. Diese Haltung kann als subtil paternalistisch verstanden werden, weil sie den Frauen eine gewisse Selbständigkeit abspricht und sie in eine schwächere, beschützenswerte Position stellt.

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Das Verhalten von „weissen Rittern“ unter Fotografen ist ein komplexes Zusammenspiel von psychologischen Bedürfnissen, sozialen Dynamiken und unklaren professionellen Grenzen. In den meisten Fällen handelt es sich um eine Mischung aus idealisierten Projektionen, Anerkennungsbedürfnis und Kontrollverhalten, das durch fehlende professionelle Distanz verstärkt wird. Diese Verhaltensweise kann für die Modelle selbst ambivalent sein: Einerseits kann sie Sicherheit bieten, andererseits läuft sie Gefahr, die Autonomie der Frauen zu untergraben und sie in eine schutzbedürftige Rolle zu drängen. Ein professionellerer Umgang mit Modellen, der auf gegenseitigem Respekt und klaren Grenzen basiert, könnte helfen, diese Problematik zu entschärfen und eine gesunde, respektvolle Arbeitsbeziehung zu fördern.
 

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